Platzvergabe beim NSU-Prozess: die Scheinheiligkeit der Medien

Das Geplärre der Medien zum zweiten Verfahren der Platzvergabe im NSU-Prozess finde ich langsam unerträglich. Kommentare, wie von der Tagesschau oder der Tageszeitung sind dafür beispielhaft.

Sicherlich: Der Ablauf des ersten Verfahrens ist zweifelhaft gewesen und mußte deshalb wiederholt werden. Daß nach dem zweiten Verfahren, das vom Ablauf her offenbar fair verlaufen ist, allerdings erneut die Medien den Klageweg suchen, zeugt nach meinem Verständnis eher davon, daß sie dem Voyeurismus verfallen sind. Sich mit dem Argument der Einschränkung des “öffentlichen Interesses” herauszureden, ist schlicht scheinheilig, denn die Bürger können sich ohne Probleme über öffentlich-rechtliche Medien, die erneut entsprechende Plätze bekommen haben, sowie über Nachrichtenagenturen mit Informationen versorgen. Zwar ist sicherlich richtig, daß das Medieninteresse bezüglich des Prozesses erwartbar deutlich über dem liegen würde, als daß der geplante Gerichtssaal an Kapazitäten bieten werde. Auch kann man dem Oberlandesgericht vorhalten, daß Recht überall gesprochen werden kann, sofern die für eine Verhandlung notwendigen juristischen (Sicherheits-)Bedingungen erfüllt werden können. Allerdings hat das Gericht lediglich die Aufgabe, der Gesellschaft die Prüfung des Ablauf des Gerichtsverfahren zu erlauben. Die Stillung der Profitgier der Medienvertreter kann und darf nicht Ziel der Raumplanung einer Gerichtsverhandlung sein. Entsprechend muß dies auch für die Platzvergabe innerhalb der Räumlichkeiten gelten.

Ja, sicherlich ist bei dem Verfahren zur Platzvergabe beim NSU-Prozess so einiges schief gelaufen, was gerade bei Vertretern von Drittstaaten nicht ohne Schaden bleiben wird. Aktuell bieten die Medien allerdings auch nicht gerade ein Glanzstück dar und tragen einmal mehr nur zur Verrohung der gesellschaftlichen Sitten bei – o tempora, o mores! Sie wären deshalb gut beraten, wenn sie sich selbst einmal fragten, um was es eigentlich bei dem NSU-Prozess geht: um die juristische Aufklärung einer Mordserie oder um die egoistischen, wirtschaftlichen Interessen der Vierten Gewalt — und danach nicht nur moralisch den Zeigefinger hebten, sondern auch selbst nach ihren Idealen einmal handelten, die sie stetig von Anderen einforderten. Andernfalls kommt dem außenpolitischen Desaster noch eine innenpolitisch-gesellschaftliche Dimension hinzu.

In der Historie zu diesem ganzen Vorgang ist schon genug schief gelaufen – diesen weiteren Fettnapf sollten wir deshalb tunlichst auslassen.

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