In der heutigen Veranstaltung im Gewerkschaftshaus in Mannheim hat der designierte baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann für seinen Koalitionsvertrag bei den Bürgern geworben. Im überfüllten Otto-Brenner-Saal zeigte er oftmals auf eine selbstironische Art und Weise einen ganzen Strauß von notwendigen Änderungen im “Ländle” auf, akzentuierte aber insbesondere den notwendigen Anpassungsbedarf in der Sozial- und Bildungspolitik. Insbesondere in Bezug auf Infrastrukturprojekte (hierbei zeigte er auf, daß dies nicht nur auf das Hauptthema “Stuttgart 21” reduziert werden darf) machte er deutlich hier stets ein abwägen von übergeordneten Zielen mit den lokalen Besonderheiten stattfinden muß und daß dies die wesentliche Herausforderung der Politik ist. Dem lobbyistischem System erteilte er in diesem Bezug eine klare Absage.
Die für mich wichtigste Aussage des Abends fokussierte sich allerdings in einem sonst für die Politik ungewöhnlichen Aspekt. Herr Kretschmann sprach im Rahmen eines solchen Findungsprozesses von einer beiderseitigen Bringschuld: Auf der einen Seite hat eine Regierung eine Bringschuld Entscheidungen zu treffen und diesen entlang der verfassungsgemäßen Grundlage parlamentarisch voran zu treiben; auf der anderen Seite hat allerdings “auch die Bürgerschaft” (Zitat Kretschmann) die Bringschuld, Themen sachlich und konstruktiv zu behandeln und zu diskutieren, um eine Entscheidungsfindung herbeizuführen. Er nannte dies den “zivilisierten Streit”. Dies muß allerdings hart am Thema geschehen und darf nicht in Demagogentum ausarten, da sonst dem Populismus Tür und Tor geöffnet wird und der konstruktive Diskurs unterbunden wird. Er band damit insbesondere an die Forderungen des “mündigen Bürgertums” an, das in den letzten Jahren drohte zu versiegen.
Wenn aus meiner Sicht der neue Ministerpräsident es nur schaffen sollte, diesen letzten Punkt konsequent in der nun kommenden Legislaturperiode zu leben und somit im politischen System Deutschlands salonfähig zu machen, so hat er sich aus meiner Sicht mehr als einen “Stern in der Hall of Politics Fame” verdient – gleichgültig ob er es nun schafft, neue Kita-Plätze entstehen zu lassen oder nicht.
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