Hebelwirkung am EFSF – “Wohl ist des Hebels Macht, wenn er denn richtig angebracht”

  1. Bei allen Diskussionen über eine “Hebelwirkung” wird von den 440 Milliarden Euro an Bürgschaften der Mitgliedsstaaten ausgegangen, die der EFSF erhalten hat. Da es sich hierbei nicht um Eigenkapital sondern um Bürgschaften (also Zusagen zur Kreditsicherung im Falle einer Insolvenz) handelt, verfügt der EFSF effektiv nach meinem Verständnis nur über ein Eigenkapital i. H. v. 40 Milliarden Euro (siehe oben). Man beachte hierzu, daß Bürgschaften im Handelsgesetzbuch (§251 HGB) als Haftungsverhältnis interpretiert wird und dementsprechend nicht eigenkapitalbildend wirkt.
  2. Das vom IWF zur Verfügung gestellte Kapital ist bereits als Fremdkapital zu betrachten. Unter der Annahme der vollständigen Ausnutzung des eingesetzten Kapitals ergibt sich hieraus alleine bereits ein Hebel von ungefähr 5.
  3. Eine weitere Hebelwirkung kann nur dann erreicht werden, wenn zusätzliche Gelder in Form von Fremdkapital dem Fond zur Verfügung stehen werden. Nach Aussage von Finanzminister Schäuble sollen diese von privaten Gläubigern kommen. Spricht man von solchen Dimensionen, dann kann in diesem Fall wohl nur wesentlich die Privatwirtschaft, also primär Banken und Versicherungen, gemeint sein. Aktuell laufen allerdings Debatten, die von Seiten der EU forciert werden, um die Kernkapitalquote von Banken in der EU zu erhöhen. Dies trifft in der Regel die Margen der Banken deshalb so hart, weil es hier genau zu einem umgekehrten Effekt wie bei der Hebelwirkung geht: Durch den Zwang mehr Eigenkapital besitzen zu müssen, können Banken weniger Fremdkapital verwenden, um ihre Tätigkeiten zu realisieren. Anders herum betrachtet bedeutet dies, daß Banken mehr Risiko eingehen müssen, um die gleiche Rendite (wie zuvor) zu realisieren. Geht man also davon aus, daß die börsenorientierte Bankenwelt einen gleichbleibenden Gewinn vorweisen möchte, so müssen die Banken risikoreichere Geschäfte abwickeln, die an sich – ohne Hebelwirkung/Leverage Effekt – bereits eine höhere Rendite aufweisen. Genau diese Geschäfte sind es, die dann ein EFSF den Banken nun anbieten wird: Es sind die hochriskanten, nur noch teilweise abgesicherten Anleihen der von der Insolvenz bedrohten Staatsanleihen. Es grenzt an Schizophrenie, daß die Europäische Zentralbank (EZB) noch vor wenigen Wochen gezwungen war, Teile diese Anleihepapiere unter anderem von den europäischen Kredithäusern vom Markt zu kaufen.
  4. Berücksichtigt man noch den Gedanken, daß der EFSF genau dafür eingerichtet wurde, um die Auswirkungen einer möglichen Insolvenz eines Eurostaates von der Finanz- und Realwirtschaft abzuschirmen, so ist nunmehr festzustellen, daß das Einführen eines Leverage Effekts durch Hinzuziehen von Fremdkapital von privaten Gläubigern somit zu “Löchern im Rettungsschirm” führt (N.B.: Dies ist beim Fremdkapital durch den IWF nicht der Fall, da dieser im Wesentlichen von den Mitgliedsstaaten getragen wird). Das liegt daran, daß durch die erneute indirekte Verteilung des Insolvenzrisikos durch den Leverage Effekt über den EFSF an die Banken im falle einer Zahlungsunfähigkeit natürlich auch die Banken und Versicherungen wieder von der “Pleite” beteiligt wären.

In Summe ist also aus meiner Sicht festzustellen, daß durch die Einführung eines klassischen Kredithebels die Politiker aktuell den gleichen Fehler begehen wollen, den sie der Finanzwirtschaft ankreiden. Auch führt sie zu einer Durchlöcherung des Schildes, den der Fond gegenüber der Wirtschaft aufbauen soll. Dabei ist die “Aushebelung des Parlamentes“, das durch die Umwidmung bzw. Uminterpretierung der bewilligten Gelder zu entstehen droht, noch ein verhältnismäßig kleines Übel.

EDIT: Inzwischen wurde noch eine weitere Alternative der Geldbeschaffung für den EFSF mit Bankenlizenz-Modell veröffentlicht. Dabei soll der EFSF sich das Fremdkapital nicht über die Finanzmarkt beschaffen, sondern vielmehr direkt an die Europäische Zentralbank herantreten können. Dies würde zwar ein “Durchschlagen bei Kreditausfall” auf die Privatwirtschaft verhindern (da letztere ja nicht in der Transaktion beteiligt wäre), dafür allerdings indirekt eine politische Einflussnahme auf die Umlaufmenge des Geldes. Somit wird die Unabhängigkeit der Zentralbank nachhaltig eingeschränkt.

Der Autor gehört keiner politischen Partei an und tätigt diese Aussage nicht mit dem Hintergrund einer politischen Willensbekundung, sondern möchte diesen als sachlichen Diskussionsbeitrag verstanden wissen. Sind oben sachlich falsche Aussagen getroffen bittet der Autor um Nachricht.

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