Der maltesische Verkehr ist schon etwas ganz besonderes. Eine inzwischen mehr als 30 Jahre alte Antwort eines britischen Weltenbummlers auf die Frage, wie man denn als deutscher Tourist mit den Verkehrsverhältnissen auf der Mittelmeerinsel am besten zurecht kommen soll, beschreibt es wohl am besten: “Oh, that might not be a trouble: they drive anywhere!” (zu deutsch: “Oh, das ist gar kein Problem: die fahren (einfach) überall”). Dahingegen behauptet ein Reiseführer, daß die Malteser weniger nach den allgemeinen Regeln und Gesetzen des Verkehrs sich fortbewegen, sondern vielmehr nur dort fahren “wo gerade Schatten ist”.
Die Realtität zwischen Mellieha und Valletta liegt dabei wohl irgendwo dazwischen:
Wohl läßt sich feststellen, daß in ländlicheren Gegenden die Vekehrsregeln nicht immer ganz so genau genommen werden (besonders bei den allgegenwärtigen “Roundabouts” – den Kreisverkehren) und oftmals einfach so gefahren wird, wie es gerade geht, wo Platz ist und damit es nicht “kracht”. So entsteht doch noch das Gefühl, daß innerhalb der Städte immerhin grundstätzlich nach Verkehrszeichen gefahren wird. Wegen des akuten Platzmagels und der Anlage der Straßen, die schlicht dort gebaut sind, wo das stets auf der Insel abfallende Gelände es gerade eben zuläßt, entwickelt sich an fast allen Kreuzugen ein Gewusel von Verkehr mit Rückstau, der sich kurz darauf wie auf magische Weise “irgendwie und ohne tiefere Ordnung” plötzlich auflöst.
Ein ganz besonders wichtiges Kommunikationsinstrument des maltesischen Vekehrs ist “the horn” (die Hupe). Der gemeine Mitteleuropäer kennt sie wohl vorwiegend zum Zwecke eines “Warnsignal” – in manchen besonderen Fällen vielleicht auch als “Grußinstrument”. Viel unbekannter dürfte indes die am weitesten verbreitete Verwendung im maltesischen Verkehr sein: So möchte der Maltese durch “kurzes Aufhupen” (ein kurzes Drücken auf die Hupe) kundtun, daß er auch noch vorhanden ist und freundlich einem auffordern, auch noch dieses Fahrzeug im “maltesischen Gewusel” zu berücksichtigen. Diese Form kann dann gesteigert – aber immer noch relativ kurz – durchaus auch im ängstlichen Tenor vorgebracht werden und meint dann etwa “hallo, weißt Du, daß ich auch noch da bin?”.
Das Aufhupen kommt nicht zuletzt sehr häufig bei den oben bereits schon kurz erwähnten Roundabouts (Kreisverkehr) zum Einsatz. Allein schon die Einfahrt gestaltet sich ereignisreich. Zwar gilt grundsätzlich (auch ohne entsprechende Verkehrszeichen für die Vorfahrtsregelung), daß der von rechts kommende Verkehr im Kreisel (Linksverkehr!) Vorrang hat, allerdings gilt dies nur insoweit, wie die Geduld des einfahrenden Verkehrs noch ausreichend ist. Ist nur eine einfahrende Fahrspur vorhanden, dessen Fahrzeuge zudem auch noch primär gleich wieder bei der ersten Ausfahrt rausfahren möchte, so wird ein einspuriger Kreisel so manches Mal plötzlich doch zwei- oder dreispurig befahren. Die Frage nach dem “Wie” ist in dieser Situation nur vor Ort zu beantworten, aber vielleicht am besten mit “wo gerade noch nichts ist” zu umschreiben. Dabei sind eventuell noch vorhandene Fahrbahnmarkierungen, die dem allgemein schlechten Wartungszustand der maltesischen Straßen noch nicht zum Opfer gefallen sind, eher hinderlich, denn eine Anleitung für korrektes Verhalten. Die zweispurige Variante des im Uhrzeigersinn gefahrenen südeuropäischen Kreisverkehres wird zumeist so genutzt, daß der umliegende Verkehr davon ausgeht, daß die linke der beiden Spuren für Fahrzeuge verwendet wird, die die erste Ausfahrt benutzen möchten. Die zweite, also rechte Fahrspur ist für alle weiteren Ausfahrten gedacht. Diese Sonderform wird auch dann angewendet, wenn Wegweiser oder Fahrbahnmarkierungen auf etwas anderes schließen lassen. Bewegt sich ein touristischer Kraftfahrer, der in einem solchen Kreisverkehr die zweite Ausfahrt nehmen möchte, vermeindlich für den dahinter fahrenden Malteser zu langsam, so ist es zum üblichen Brauch geworden, daß dennoch die linke der beiden Spuren verwendet wird, um schnell mal an dem Verkehrshindernis (=Tourist) links vorbeizuhuschen (man beachte: bei Linksverkehr ist das Überholen auf der linken Seite verboten). Dabei ist das Schneiden des tourististischen Fahrzeugs beim Ausfahren an der zweiten Ausfahrt mehr ordnungspolitische Notwendigkeit und gehört damit also zum guten Ton. Steigt der nervös gewordene Malta-Besucher dann erschrocken auf die Bremse, wird dieser erst richtig zum Verkehrshindernis und provoziert einen Auffahrunfall. Apropos, geschnitten werden: Dies ist bei Überholmanövern, die insbesondere gerne über Sperrflächen im Mittelbereich der ohnehin fast überall ungetrennten Fahrbahnen durchgeführt werden, eher die Regel als eine Seltenheit. Auch hier gilt erneut, daß derjenige verliert, der bremst.
Einzig die fast auf der gesamten Insel verkehrenden Layland-Busse scheinen der Mehrzahl der maltesischen Autofahrer zumindest ein Mindestmaß an Respekt abzunötigen. Dies liegt aber wohl einerseits an der im Vergleich zum einfachen PKW in der Regel größeren Masse der Busse. Zum anderen ist dies wohl auch auf eine nur durch die Taxifahrer zu toppende “Stilsicherheit in Verkehrsfragen” der Busfahrer zurückzuführen, die sich darüber hinaus noch mit einem deutlich über dem Durchschnitt liegendem Augenmaß kombiniert. Letzteres ist aber nicht weiter verwunderlich, wenn man betrachtet, mit welcher Präzision diese extrem breiten, oftmals mehrere Jahrzehnte alten Gefährte durch die engen Straßen der kleineren Ortschaften hindurch buxiert werden. So kann zum Beispiel das Aneinandervorbeifahren von zweier solchen “Straßenkollose” in der Innenstadt von Mellieha bei normalem täglichen Verkehr schon ein Schauspiel sein. An ein Weiterkommen ist für den restlichen motorisierten Verkehr genauso wenig zu denken, wie an die in der Umgebung sich bewegenden Fußgänger – denn das Trottoir wird selbstverständlich mitbenutzt.
Allerdings täuscht letzteres auch wieder über eine weitere Eigenart des maltischen Verkehrs hinweg: Fußgänger sind zwar zunächst einmal Freiwild; solange sich diese allerdings “ortsüblich” verhalten, das heißt nachvollziehbar bewegen, werden diese durchaus wie andere Verkehrsteilnehmer behandelt. Fußgänger auf Gehwegen werden zwar grundsätzlich ignoriert – besonders dann, wenn sie an einem Zebrastreifen sich befinden. Hat der Passant allerdings einmal den Mut zusammengenommen und den Fuß auf die weiße Straffierung gesetzt, so hält der Verkehr zumindest zu der Seite hin an, auf dem der Unmotorisierte sich bewegt. Das darauffolgende Überqueren der Fahrbahn ist dann mit weniger Risiko behaftet, als man es gemeinhin erwarten würde.
Der geneigte, mitteleuropäische Beobachter dieses Straßenschauspiels stellt sich dann nach einigen Tagen des Betrachtens eine für ihn bohrende Frage: Wie kann es sein, daß bei einem solchen Verkehrsaufkommen auf so kleiner Fläche und der offensichtlichen, täglichen, ja manchmal schon planmäßigen Nichtbeachtung der dennoch festgeschriebenen Verkehrsregeln es doch nicht reihenweise zu Unfällen kommt? Die Antwort auf diese tiefgreifende Frage bleibt wohl immer ein Geheimnis des “maltesischen Fahrstils”.
PS: Man beachte, daß lt. Statistik die Unfallrate mit Todesfolge für Malta (Platz 176) geringer ist, als die für Deutschland (Platz 166). Es stellt sich nunmehr also die Frage, ob in Deutschland doch nicht besser nach maltesischem Vorbild gefahren werden sollte… (oder vielleicht doch besser nicht?)
Naja das ist so das Gegenteil der amerikanischen Fahrweise … Fahrstreifen die man in Deutschland schon per Gesetz für 2 verwendet hätte. Wenigstens fahren die auf der richtigen Seite … :-O
Gruß aus dem leicht unterkühlten und verregneten Deutschland
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