Montage ohne “Vorführeffekt”
Bei der Montage des Kabels gab es zunächst keine besonders erwähnenswerte Ereignisse. Nachdem das Kabel verlegt war und ich – probeweise – die Endstufe anschloß, hatte ich diesmal Glück: Bereits nach nur einer Minute brach das Bild sofort wieder zusammen – und auch mit vielen Versuchen des Neustarts und allem möglichen “Voodoo” waren wir nicht in der Lage, die Endstufe sauber zum Laufen zu bringen.
Wohl mehr aus Routine steckte der Elektrotechniker sein Spannungsmessgerät in die Steckdose und legte sofort die Augenbrauen in Falten: Er maß eine Wechselspannung von nur knapp 218 Volt (die Mittelspannung in Deutschland liegt allerdings bei 230 Volt). Dachte er wohl offenbar zunächst an einen Spannungsabfall in der Elektrik der Wohnung, so wurden die Furchen seines Gesichtes noch tiefer, als er daraufhin zum Sicherungskasten ging und auch dort seinen Spannungsmessgerät anschloß: Auch hier waren nur 218 Volt zu messen. Auf den beiden anderen in der Wohnung verfügaren Phasen sah es auch nicht wirklich besser aus: 220 und 221 Volt übten auf ihn auch nicht wirklich einen überzeugenden Eindruck aus. Einige Treppen und Messpunkte später hatte sich herausgestellt: Die niedrige Spannung kommt bereits durch die Einspeisung vom örtlichen Stromversorgungsunternehmen (EVU).
Wieder zurück am Sicherungskasten klemmte der inzwischen mit der Nase rümpfende Elektrotechniker zunächst einmal die Phase um, so daß der Onkyo nunmehr auf der Phase betrieben wurde, die derzeit 221 Volt lieferte. Nach erneutem Anschluß der Anlage ans Stromnetz funktionierte das Gerät wieder wie vorher: zumindest kurzfristig keine blauen Bildschirme mehr, aber das OSD-Menü war immer noch nicht erreichbar. Klemmten wir die Stromleitungen erneut auf die Phasen mit 218 Volt um, wollte wieder gar nichts mehr von der Hand gehen.
Längerfristige Messung der Spannung
Das Haus verließ der Elektriker zunächst nachdem er die Anlage wieder auf Phase umlegte, die bisher die höchste Spannung aufwies. Unmittelbar im Anschluß schloß ich ein digitales Leistungsmessgerät an die Steckdose nebendran an, das ebenfalls auch die Spannung mitprotokolliert. Aus den dann durch Erzeugung jeweils eines Messpunktes pro Minute angefertigen Datenbestandes erstellte ich dann über einen Zeitraum von knapp zwei Wochen folgendes Diagramm der minimalen, der maximalen und der gemittelten Spannungen je Stunde:
Es ist klar zu sehen, daß die Spannung an der verwendeten Phase über die Zeit des Tages stark schwankt. Dabei weist sie den typischen Verlauf auf: Während der Tagesstunden, wo der Verbrauch durch Industrie und Haushalte am stärksten belastet ist, sinkt die Spannung deutlich ab. In den Nachtstunden, in denen nur sehr wenige Menschen aktiv sind, erhöht sich die Spannung aufgrund der geringen Energieaufnahme der Verbraucher. Besonders auffällig hingegen sind die Minimalwerte der Spannung, die mehrfach auf Werte unterhalb von 220 Volt abgefallen sind. In Summe gibt es 103 Datenpunkte, die eine Spannung aufweisen, die unterhalb von 220 Volt lagen. Sie waren alle im Zeitraum zwischen 7:00 und 18:00.
Nach den oben genannten Analysen des Geräts konnten wir ableiten, daß mein Onkyo TX-SR608 mindestens eine Spannung von 220V benötigt. Fällt die Spannung auch nur einen Volt darunter, war mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, daß das Gerät Ausfälle zu verzeichnen hat. Je nachdem in welches Tageszeit ich also das Gerät nutzte und wie stark das Stromnetz des EVUs belastet war, kam es dann zu Spannungsschwankungen, die dann zu den genannten Ausfällen führte.
Finale Lösung
Nachdem wir diese Problematik verstanden hatten, war die Lösung auf einmal nicht mehr weiter schwierig: Es mußte dafür gesorgt werden, daß das Gerät – trotz Unterspannung aus dem örtlichen Spannungsnetz – mit genügend Spannung versorgt wurde. Im konkreten Fall entschlossen wir uns deshalb einen Spartransformator einzusetzen, der die Eingangsspannung von etwa 220V auf 230V hochtransformieren kann. Konkret handelt es sich um einen Block AIM 5,0/2,5, der vor die Endstufe angeschlossen wurde. Weil jeder Spartrafo Leerlaufverluste produziert, da die primäre und die sekundäre Seite nicht entkoppelt sind, gehört zu einer solchen Konfiguration auch ein zweiseitiger Kippschalter, der für eine vollständige Trennung des Trafos vom Netz sorgt, sofern das Gerät dahinter nicht genutzt wird. Nach Anschluß dieses elektrotechnischen Hilfsmittels war der Erfolg durchschlagend: seit Anschluß ist kein “blauer Bildschirmausfall” mehr aufgetreten und auch das OSD-Menü funktioniert wieder jederzeit einwandfrei.
Fazit
Als Fazit bleibt für dieses Problem festzuhalten: Die eigentlichen Kosten für die Lösung lagen bei etwa 80 EUR – die diversen Kosten für Elektriker und neues Kabel einmal außen vorgelassen, weil diese wohl nicht ursächlich miteinander verknüpft waren. Die Dauer der gesamten Fehlersuche ist allerdings mit mehr als drei Jahren schon beachtlich.
Abschließender Kommentar in Sachen EVU
Abschließend möchte ich noch auf einen Umstand hinweisen, in den vielleicht viele Verbraucher reinfallen können: Laut der Norm IEC 60038, die die Grundlage für die Niederspannungsnetze in Deutschland bildet (zu denen auch der gewöhnliche Hausstrom gehört), hat der örtliche Energieversorger seinen Kunden ein Mittelspannung von 230 Volt zu liefern (vergleiche auch dazu diesen Wikipedia-Artikel). “Mittelspannung” bedeutet hierbei, daß “im Mittel über die Zeit gerechnet” die Spannung 230 Volt betragen soll – der reale Wert weicht üblicherweise davon ab. Ferner erlaubt diese Norm auch noch eine Toleranz von 10%, d.h. der effektive Spannungswert kann je nachdem auch 10% darüber oder auch darunter liegen. Die somit zulässige Bandbreite der Spannung im Netz beträgt zwischen etwa 209,1 Volt und 253 Volt. Aus diesem Grund macht es wenig Sinn, wenn man als Verbraucher mit den von mir oben dargstellten Messungen an den lokalen Stromnetzbetreiber herantritt, um ihn auf eine falsch bzw. fehlende erbrachte Leistung hinzuweisen: Das EVU hat – trotz der Spannungstäler auf bis zu 211 Volt (siehe Diagramm oben) – zu jedem Zeitpunkt der Messung seine Leistung im vollem Umfang erbracht — das interessiert nur die Endstufe relativ wenig…